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Prozess gegen JournalistFranzösischer Fußballreporter in Algerien verurteilt

Ein französischer Sportjournalist recherchierte über einen Klub. Wegen „Verherrlichung des Terrorismus“ muss er in Algerien ins Gefängnis.

Nationale Besitzanzeige: In Tizi Ouzou fand im März 2025 ein WM-Qualifikationsspiel zwischen Algerien und Mosambik statt Foto: NurPhoto/imago

Der französische Fußballjournalist Christophe Gleizes wurde am Sonntag in Algerien zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Der 36-jährige Freelancer wurde der „Verherrlichung des Terrorismus“ für schuldig befunden. Sowohl sein Arbeitgeber, die in Frankreich bekannte So-Press-Gruppe, als auch Reporter ohne Grenzen (RSF) bezeichnen das Urteil als „ungerecht“.

Gleizes arbeitet für die beiden Zeitschriften So Foot und Society. Seine Anwälte haben am Montag Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren wird – so die algerische Presse – wohl nicht vor Oktober beginnen. Der Sportjournalist wurde direkt aus dem Gerichtssaal in das Gefängnis von Tizi Ouzou, 100 Kilometer östlich der Hauptstadt Algier, überführt.

Gleizes, der mit einem Buch über „Die moderne Sklaverei afrikanischer Fußballer“ über die Sportpresse hinaus in Frankreich von sich reden machte, wurde bereits am 28. Mai 2024 von der algerischen Justiz mit Ausreiseverbot bedacht. Er sei mit einem Touristenvisum eingereist und habe deshalb ohne Genehmigung im Land gearbeitet, lautete die Begründung. Gleizes hatte den Trainer des Hauptstadtclubs Mouloudia interviewen und über den Verein Jeunesse Sportive de Kabylei (JSK) in Tizi Ouzou berichten wollen.

JSK ist der wichtigste Club der Kabylei, der Region der Berberminderheit. Das Gericht sieht in der Arbeit Gleizes über den Kabylen-Club politische Propaganda, die dem nationalen Interesse Algeriens schade. Außerdem unterstütze Gleizes Terroristen. Denn der fragliche Club und dessen Präsident stehe der Unabhängigkeitsbewegung in der Kabylei nahe.

„Diese jüngsten Anschuldigungen, die haltlos und vollständig widerlegt sind, beruhen darauf, dass der Journalist 2015 und 2017 Kontakt zum Vorsitzenden des Fußballvereins Tizi Ouzou hatte, der zugleich ein Anführer der Bewegung für die Selbstbestimmung der Kabylei (MAK) war, die 2021 von den algerischen Behörden als terroristische Organisation eingestuft wurde“, erklärt RSF. Diese Gespräche „fanden lange vor dieser Einstufung durch die algerischen Behörden statt“, betont RSF. „Der einzige Kontakt im Jahr 2024 diente der Vorbereitung seiner Reportage über den Fußballverein JSK, eine Tatsache, die Christophe Gleizes nie verheimlicht hat“, so die NGO weiter.

Algerisch-französische Beziehungen

„Christophe Gleizes ist ein Journalist, der dafür bekannt ist, stets ohne politische Hintergedanken zu arbeiten, wie seine Recherchen und Interviews beweisen“, erklärt Franck Annese, Journalist und Gründer von So Press. Er fordert die französischen Behörden auf, alles zu tun, „um Christophe mit seinen Angehörigen und seiner Redaktion wiederzuvereinen“.

Die Verurteilung von Gleizes erfolgt inmitten einer schweren diplomatischen Krise zwischen Algerien und Frankreich, das von 1830 bis 1962 Kolonialmacht war. Beide Seiten haben ihre Botschafter abgezogen und die Beziehungen eingefroren, nachdem der französische Präsident Emmanuel Macron im vergangenen Sommer einen Autonomieplan „unter marokkanischer Souveränität“ für die Westsahara anerkannt hatte.

Die Polisario, die Befreiungsbewegung der ehemaligen spanischen Kolonie, die seit 1975 von Marokko besetzt ist, wird von Algerien unterstützt. Sah­rauische Flüchtlinge leben seit damals in Lagern auf algerischem Boden. Der Fall Gleizes ist nicht das einzige Urteil der algerischen Justiz gegen einen Franzosen. Vergangenen November wurde der algerische Schriftstellers Boualem Sansal, der auch die französische Staatsangehörigkeit hat, verhaftet und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Auch er soll gegen die „nationalen Interessen“ seiner Heimat verstoßen haben. Sein Berufungsurteil wird für Dienstag erwartet. Die Verteidiger wollen den Freispruch, die Staatsanwaltschaft forderte jetzt gar zehn Jahre Haft.

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